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Vom Grundprinzip der Dinge

tl;dr Alle Dinge, Ereignisse und Prozesse verfolgen ein bewusstes oder unbewusstes Grundprinzip. Versuche das Grundprinzip zu erkennen, um Prozesse zu verstehen und beeinflussen zu können.

Ich stelle hiermit die Theorie auf, dass allen Dingen, Ereignissen und Prozessen ein Grundprinzip innewohnt.
Also alles, was da ist und passiert, verfolgt eine gewisse Idee und Richtung.

Dieses Grundprinzip muss nicht notwendigerweise festgelegt worden sein, bildet aber den roten Faden und ermöglicht es nach zu vollziehen, was da gerade passiert.

So ziemlich alle Lebewesen verfolgen (u. a.) das Grundpinzip: „Spezies vermehren“.
Viele Pflanzen folgen (u. a.) dem Grundprinzip: „Dem Licht entgegen wachsen“.

Aber auch kulturelle Konstrukte und gesellschaftliche Prozesse und Ideen verfolgen Grundprinzipien.

Viele gesellschaftliche Errungenschaften von entwickelten Länder sind Nebenprodukte des Grundprinzips „Arbeit effizient organisieren“/“Arbeitsteilung verfeinern“. U. a. deshalb gibt Städte.

Ich glaube, dass das Verständnis von Prozessen deutlich verfeinert werden kann, wenn das antreibende Grundprinzip verstanden wird.

Beispiel Schule

Ich bin ein großer Kritiker des aktuellen Schulsystems – so wie ich es in Deutschland kenne – und bin damit bei weitem nicht alleine.

Ich wünsche mir, dass die Schule dem Grundprinzip folgt „jungen Menschen ermöglichen ihre Potentiale zu entfalten“; tatsächlich verfolgt die Schule aber aktuell eher dem Grundprinzip „Chancen verteilen“.

Wenn ich mir das Schulsystem mit meiner Vorstellung eines guten Schulsystems ansehe, dann ist es verbittern.

Schaue ich mir das Schulsystem aber an, mit der Idee der Chancenverteilung im Hinterkopf, funktioniert es recht gut:

Die Gesellschaft hat gewisse Aufgaben zu verteilen, wovon einige hohes Ansehen, Prestige und Bezahlung bringt – anderes dagegen eigentlich von niemanden gemacht werden wollen (wie oft äußert ein Kind, dass es später bei der Müllabfuhr oder bei einem Reinigungsservice arbeiten will?).
Die Schule stellt ein funktionierendes System dar, um aus fast gleichrangigen Kindern (Grundschule), junge Erwachsene heran zu ziehen, die schon sehr gut vorselektiert dem Arbeitsmarkt zugeführt werden.

Einerseits sind für einige Berufe bestimmte Abschlüsse zwingend (auch mit Abitur kann man nicht alle Berufe machen – in einigen Berufen wirst du überqualifiziert sein und deshalb nicht genommen werden) und andererseits findet in der Schule kulturelle Bildung statt (oder nicht statt), die dazu führt, dass bestimmte gesellschaftliche Kreise geöffnet oder geschlossen werden.

Die Schule verteilt also die verfügbaren Lebensentwürfe auf die Kinder jeder Generation.
Wer wird Arzt, wer wird Bauarbeiter, wer wird Diplomatin, wer wird Chefin und wer arbeitet bei Aldi.
Dieses Verteilen der Chancen macht die Schule erfolgreich. Das Notensystem, die Vielzahl der möglichen Abschlüsse und einige weiter Parameter sind hinreichende Legitimation, dass die einen Chancen in die eine Richtung, die andere Chancen in die andere Richtung wahrnehmen können.

Beispiel Studium

Es gibt viele Gründe sich über die Weise zu beschweren, wie das Studium organisiert wird und in wiefern ein Universitätsabschluss dazu hilft im späteren Leben erfolgreich zu sein.

Aber die Universität verfolgt – meiner Ansicht nach – nicht dem Prinzip junge Erwachsene weiter zu bilden.

Einerseits folgt es dem alten Grundprinzip eine Ausbildung für Wissenschaftler_innen zu sein (also Leute, die ihr Berufsleben lang an der Universität oder in anderen Forschungsstätten arbeiten).
Andererseits ist die Universität ein Mittel der zivilen Kriegsführung.
Staaten sind daran interessiert als Bildungsmacht zu gelten. Und Bildungsmächte zeichnen sich dadurch aus, dass sie viel wegweisende Forschung hervorbringen, aber andererseits auch dadurch, dass die Quote der hochgebildeten Menschen möglichst beeindruckend ist.
Für die meisten Berufe ist der Großteil der Studieninhalte hinfällig – aber eine hohe Quote an Absolvent_innen sieht im Ländervergleich toll aus (siehe dazu auch die Aufschreie zur Pisa-Studie) und ist eine gute Gelegenheit sich auf die Schulter zu klopfen.

Beispiel Arbeitsplätze

Ich höre immer wieder von Freund_innen, wie ihre Arbeitsbedingungen sind, wie der Umfang der Arbeit und der Arbeitszeit ist.

Oft scheint das Grundprinzip zu sein: „möglichst vollständige Ausreizung der verfügbaren Arbeitskraft“.

Dagegen habe ich die Arbeitsweise einer Firma erlebt, die nach dem Prinzip arbeitet: „nachhaltige Förderung des Arbeitspotentials“.
Das heißt u. a., dass die Mitarbeiterzufriedenheit wichtiger ist, als die der Kunden, dass überwacht wurde, dass nicht mehr als vereinbart gearbeitet wurde, dass es Freiraum für eigene Ideen und Projekte gibt usw.

Beispiel Gebrauchsgegenstände

Du hast vermutlich schonmal was gekauft, nur weil es so schön günstig war.

Viele Produkte werden mit dem Grundprinzip „an billiger Masse verdienen“ produziert. Solches Zeug geht schnell kaputt und ist auch sonst nicht zu viel zu gebrauchen.
Lass uns mal über Pfannen sprechen.

So eine Billigpfanne hält ein paar Monate, ist schlecht sauber zu machen, es brennt Essen an und recht bald ist die Beschichtung kaputt und du wirst die Pfanne nicht mehr verwenden wollen – aber war ja günstig.

Andere Hersteller produzieren vielleicht nach dem Grundprinzip „Menschen bei ihrem Alltag helfen“, „Nachhaltige Qualität produzieren“, „ein optimales Produkt herstellen“ oder „dem Namen unserer Familie/unseres Betriebs Ehre machen“.

Solche Pfannen sind deutlich teurer, halten dafür teilweise ein Leben lang und weisen manchmal clever durchdachte Details auf.

Grundprinzipe erkennen hilft beim Verständnis

Ich glaube, dass es oft hilfreich sein kann, das Grundprinzip von Prozessen herauszufinden, um dadurch zu verstehen, wieso es auf diese Weise passiert.

Viele politische Entscheidungen sind eigentlich Entscheidungen, nach welchem Grundprinzip die Dinge organisiert sind.
Viele gesellschaftliche Phänomen, die ich so gar nicht nachvollziehen kann (wie z. B., wieso Schule nicht menschenfreundlicher organisiert ist), liegen daran, dass dieses Phänomen nach meinem Empfinden einem ganz anderen Grundprinzip folgen sollte.

Das Grundprinzip heraus zu kristallisieren hilft dabei fest zu stellen, ob es wirklich „kaputt“ ist, oder einfach „nur“ nach einem Prinzip funktioniert, das ich total ablehne (vgl. wieder dazu Schule. Das Schulsystem funktioniert – aber nach einem Prinzip, das ich nicht gutheißen will).

Finde das Grundprinzip – verstehe die Wirkweise.

Ich habe einen weiteren Artikel über diese Idee veröffentlicht, den ich einige Monate vor diesem verfasst habe. Dort nenne ich es innewohnende Idee und habe meinen Fokus auf anderen Schwerpunkten.

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