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Die Angst vorm einseitigen Verliebt-Sein

Verliebt-sein ist was sehr aufregendes, tolles, aufwühlendes. Ich verstehe mich als (noch) sehr Kopf-lastigen Menschen – verliebt zu sein ist was, das ich mit dem Kopf irgendwann anerkennen, das ich aber nicht steuern kann, das macht es nochmal überwältigender.

Verliebt-sein hat aber auch seine Schattenseite: es kann einseitig sein.

Sowohl aktiv als auch passiv kenne ich das ungute Gefühl, wenn zwei Menschen unterschiedlich für einander empfinden. Ich will hier meine bisherigen Erfahrungen und Erkenntnisse daraus sammeln und würde mich über weitere Anregungen von dir freuen. Vielleicht ist es dadurch möglich dem Schatten ein bisschen von der Intensität zu nehmen – also ein leichteres Umgehen mit unerwidertem Verliebtsein zu finden.

Ich kann mir vorstellen, dass nicht alle Menschen verliebt sein so erleben wie ich und vermutlich ist es auch an sich keine gute Idee das mit Worten beschreiben zu wollen – ich probiere es trotzdem.

Verliebt zu sein hat viel sonniges, helles, aufheiterndes. So ein: „Boah, was für eine tolle Person ist das?“ Gedanken an die Person oder gar die Präsenz der Person verändern, wie die Welt zu funktionieren scheint – alles ist so viel schöner, weicher, fröhlicher. Die „rosarote Brille“ hellt die Welt auf.

Verliebt zu sein hat für mich aber auch eine Komponente die ich mit Hunger, Durst, der Sehnsucht nach Musik oder Wärme vergleichen will – in seiner eigenen Kategorie. In gewisser Weise ein Verlangen, das nur auf eine Weise gestillt werden kann – durch Nähe, Zeit, Zuwendung und Aufmerksamkeit der Person in die ich verliebt bin. Das Fehlen davon reißt ein Loch, das nicht anders gestopft werden kann.
Auch wenn es regelmäßig probiert wird Hunger durch Trinken zu stillen oder Liebesschmerz durch Essen, funktioniert das nicht – das Bedürfnis ist ein anderes.
(Dazu ein kleiner Tipp am Rande: Falls dein Körper ähnlich funktioniert wie meine: Hunger spürst du im Bauch – das was du im Mund spürst kann Appetit sein, ist aber meist Durst.)

Wo ein Bedürfnis ist, da ist der Wunsch es zu befriedigen. Hunger ist dabei einfacher zu befriedigen als das Bedürfnis nach – hm – Zweisamkeit/Verbundenheit.
Wo ein Bedürfnis ist und etwas, dass das Bedürfnis befriedigen kann, besteht eine gewisse Abhängigkeit.
Anders als Leute, die absichtlich Leute anfixen um sie später dadurch kontrollieren zu können, dass sie ihren Zugang zu Drogen regulieren, kommt es wohl selten vor, dass jemand jemanden anderen gezielt in sich verliebt macht (dass sowas funktionieren kann, halte ich für möglich).

Unsere Ausgangssituation

Wir haben also zwei Personen.
Eine Person, die so ist, wie sie halt ist und eine, die in die andere Person verliebt ist – also eine gewisse emotionale Abhängigkeit der ersten Person gegenüber hat.
Verhältnismäßig einfach ist es, wenn zwischen den beiden Personen keine wirkliche Beziehung besteht (Anmerkung: Ich verwende das Wort „Beziehung“ um auszudrücken, dass zwei Menschen wohlwollend die Existenz der anderen Person anerkannt haben und in einem wie auch immer gearteten Bezug zueinander stehen. So eine Beziehung kann eine emotinale/amouröse Verbindung sein, aber auch nur eine flüchtige Bekanntschaft – wenn zwei Menschen „zusammen“ sind, will ich das „Partnerschaft“ nennen).

Anders ist es, wenn zwischen den beiden eine klare Verbindung besteht – eine Freundschaft oder die grundsätzliche Offenheit für eine amouröse Beziehung. In dem Fall sollten beide für einander Verantwortung übernehmen und das heißt auch Verantwortung für die Bedürfnisse von einander.

Wodurch das ganze kompliziert wird

Die verliebte Person hat einen klaren Bedarf – der von der nicht-verlieben Person theoretisch gestillt werden könnte. Praktisch ist die nicht-verliebte Person aber vermutlich überfordert.
Wenn dann noch Befürchtungen oder Glaubenssätze dazu kommen wie die folgenden, wird das ganze sehr kompliziert:
– „Er ist in mich verliebt, also muss ich ihn zurück lieben.“
– „Ich kann ihren Erwartungen nicht gerecht werden. “
– Wenn jemand verliebt ist, muss daraus eine Beziehung werden.
– „Ich müsste meine Grenzen überschreiben, um ihm gerecht zu werden.“
– „Ich will eigentlich nur eine Freundschaft.“
– „Wenn ich ihn nicht zurück liebe kränke ich ihn sehr.“

Bisherige Überlegungen

Im Grunde kann es nicht deine Aufgabe sein für die Gefühle von anderen Menschen die Verantwortung zu übernehmen. Was du tun kannst ist einzig darauf zu achten keine falsche Botschaften zu senden.

Meiner Meinung nach leitet sich aus Verliebt sein bzw. Körperlichkeit bzw. der Bereitschaft zu einer Partnerschaft nicht selbstverständlich eine Notwendigkeit ab, auch die jeweils anderen Komponenten in eine zwischenmenschliche Beziehung einzuführen. Das passiert aber oft implizit und sollte explizit gemacht werden – darüber sollte gesprochen werden.

Verliebt sein, sollte lieber als Kompliment, als als Belastung empfunden werden. Es ist doch nicht schlüssig, dass sich eine Person von einer anderen abwendet, nur weil diese in einen verliebt ist.

Mein aktuell bester Vorschlag für jemanden, der/die verliebt ist aber (wohl) nicht erwidert wird

  • Die eigenen Gefühle anerkennen und anerkennen, dass die andere Person anders fühlen darf.
  • Die Gefühle aussprechen und die Situation ansprechen um Klarheit zu bekommen. Nichts kostet mehr Energie als das dauernde Deuten von Zwischentönen. („Ist sie vielleicht doch in mich verliebt?!“)
  • Sich ein „nein“ bewusst abholen – das hilft beim Gefühle zurückschrauben bzw. sich neu verlieben. Im Falle des Falles erfährst du auch, ob es ein „nein!“ oder ein „es hält mich was zurück“ ist.
  • Mit der anderen Person „Regeln“ ausmachen – also darüber sprechen, was gerade gut funktioniert und was nicht. Optimal gibt es oder entsteht eine Meta-Ebene auf der gemeinsam besprochen werden kann, wie es sich gerade anfühlt.
  • Nur wenn unbedingt nötig emotionale Gespräche digital (via Telefon, Mail etc.) führen. Ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht ist immer besser – und auf die Weise kann man sich auch mal zwischendurch umarmen.
  • Weinen, wenn möglich (Ich finde weinen immer gut…).

Ich weiß nicht, wie allgemeintauglich das ist, weil es viel Vertrauen und Nähe bedarf, dass zwei Menschen mal wirklich ehrlich und aufrichtig miteinander über Gefühle sprechen – und dann auch noch über unerwidertes Verliebtsein.
Bei mir hat das schonmal geklappt – wobei uns eine tiefe Freundschaft verbindet und wir uns schon eine Weile kannten, als ich um das Gespräch gebeten habe.
Mir war in der Situation klar, dass ein anderes Vorgehen unsere Freundschaft gefährden würde – so hat es die Freundschaft gestärkt.

Mein aktuell bester Vorschlag für jemanden, in den (vermutlich) jemand verliebt ist, das aber nicht erwidert wird.

  • Die eigenen Gefühle anerkennen und anerkennen, dass die andere Person anders fühlen darf.
  • Es ansprechen um Klarheit zu schaffen – spätestens wenn du merkst, dass die Verrenkungen der anderen Person immer auffälliger werden und die andere Person offensichtlich nicht selbst die Kraft aufbringen kann es an zu sprechen.
  • Ehrlich sein und das heißt auch ein ehrliches „nein“ auszusprechen. Dabei ist Respekt vor den Gefühlen der anderen Person absolut am richtigen Platz. Das heißt aber sowohl, dass du die Gefühle der anderen Person nicht absichtlich schlecht machst, als auch, dass du nicht „vielleicht“ sagst, wenn es ein klares „nein“ ist – falls es ein „vielleicht“ ist, dann ist es wichtig das aufrichtig zu kommunizieren.
  • Du wirst aber vermutlich die Gefühle der anderen Person verletzen müssen. Mach es mit einen Skalpell – scharf, schnell, sauber – statt mit einem stumpfen Brotmesser. Eine glatte Narbe heilt viel besser als zerschlissenes Gewebe.
  • Es macht keinen Sinn jemandem mit weniger Liebe, Zuneigung und Herzlichkeit zu begegnen, weil er/sie in dich verliebt ist. Echt nicht.

Welche Erfahrungen hast du bisher gemacht? Wie würdest du wollen, dass mit dir umgegangen wird? Wie bist du bisher am besten mit so einer Situation um gegangen?
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