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Gedanken über Sex

Ich forsche gerade intensiv zu meiner Sexualität und zu Sexualität im allgemeinen.
Ganz offensichtlich ist das ein Thema, dass viele Menschen in der ein oder anderen Weise bewegt; das sehe ich auch an den Reaktionen, die mir entgegen gebracht werden, wenn ich mal wieder unverschämte Fragen in den Raum stelle.

Ich will das Potential meiner eigenen Sexualität erforschen und herausfinden, wieso Sexualität und Sex so einen großen Stellenwert hat.

Auffällig ist z. B., dass es für zwischenmenschliche Kontakte einen großen Unterschied macht, ob Sex geteilt wird oder nicht.
Zwei Menschen können viel miteinander teilen – trotzdem reicht der Begriff „Freundschaft“ aus um das Verhältnis zwischen den beiden Menschen zu beschreiben.
Wird jedoch Sex geteilt gibt es eine weite Palette von Begriffen, die teilweise sehr fein bestimmen, welche Verpflichtungen die beiden Menschen miteinander eingehen: Affäre, Liebhaber_in, Beziehung, Fick-Bekanntschaft, Freundschaft+, One-Night-Stand, Ausrutscher…

Sex verändert offensichtlich den Status zwischen zwei Menschen. Das gilt übrigens auch für Menschen, die am Sex garnicht beteiligt waren.
Sex zwischen zwei Menschen kann z. B. aus Partner_innen Ex-Partner_innen machen und aus Freund_innen Rival_innen.

Wieso haben wir Sex?

Die Frage, wieso Menschen Sex haben, ist bestimmt von Wissenschafter_innen schon viel besser und ausführlicher beantwortet worden. Ich finde es aber spannender selbst zu forschen und habe deshalb versucht mir klar zu werden, wieso ich Sex haben will.

Biologie

Ich will mich gerade definitiv nicht fortpflanzen, aber vermutlich gibt es das Programm dazu in mir – und ich bin im besten Alter Nachwuchs zu zeugen.
Einen Teil meines Interesses an Sex will ich auf jeden Fall auf meine Triebe schieben.

Kennst du den Begriff der „Notgeilheit“? Ich kann die Bedeutung des Wortes inzwischen gut nachvollziehen (als ich mich noch als asexuell begriffen habe, konnte ich das nicht) und wenn es mal wieder soweit ist, merke ich, dass es keine Entscheidung ist, mich so zu fühlen – es ist ein körperliches Bedürfnis.

Ich kann ziemlich genau sagen, seit wann ich ein praktisches Interesse an Sex habe.
Bis vor zwei Jahren habe ich mich als asexuell verstanden. Das heißt, dass ich zwar theoretisches Interesse an Sex hatte, durchaus aus auch sexuelle Vorstellungen hatte und masturbiert habe, es mir praktisch aber unvorstellbar war, Sex mit jemanden zu haben – so, wie ich mir praktisch nicht vorstellen kann jemanden zu töten.

Das hat sich auf eine Weise geändert, als wäre ein Schalter umgelegt worden. Seit dem verstehe ich mich als sexuell (…das ist so so viel komplizierter…) und merke, dass dadurch ein neuer „Hunger“ dazu gekommen ist. Also ein neues körperliches Bedürfnis – so wie das nach Essen, Trinken und Stille.

Soziale Aspekte

Sex ist eine soziale Interaktionsmöglichkeit und somit hängen daran auch
sozialen Konsequenzen.

Männer können z. B. ihr Ansehen verbessern, wenn sie viele weibliche Sexualpartnerinnen hatten. (Bei Frauen ist das genau andersherum, aber das ändert sich langsam)

Insgesamt sind Statusspielchen offensichtlich ein wichtiger Bestandteil von zwischenmenschlichen Interaktionen – besonders stark, wenn es um das Familienleben, die Arbeitswelt und das Datingverhalten geht.

Ich merke, dass das auch nicht an mir vorbei geht.
Selbstbestätigung durch spannende Sexualpartner_innen, Gruppendruck auch spannende Geschichten teilen zu können, Anerkennung oder Abwertung je nach Erfahrungsschatz – um ein paar Schlagworte in den Raum zu stellen.

Sex dient teilweise auch um non-verbal Besitzansprüche zu klären und Wertschätzung aus zu drücken. Nach dem Motto: „Mit wem ich ficke, der_die ist meins“ bzw. „Wieso haben wir keinen Sex mehr – magst du mich den nicht mehr“.

Über den Bereich kann und will ich noch nicht so viel schreiben. Ich die meisten sozialen Gründe, die mir bisher einfallen, fühlen sich „schmuddelig“ an – das ist ein Bereich, auf den ich in nächster Zeit mehr schauen will, gerade aber ein bisschen Angst davor habe, was ich da alles finden werden.

Suche Intimität

Der Beweggrund, mit dem ich bisher am meisten positives verbinde ist die Suche nach Intimität.

Wenn es dir wie mir geht, dann fühlst du dich hin und wieder sehr allein und verlassen in dieser riesigen Welt mit unvorstellbar vielen Menschen und anderen Wesen. Tausende Möglichkeiten, viele Verpflichtungen und so wenig an dem man festhalten und glauben kann.
(Falls dir das öfter als „hin und wieder“ so geht, dann hast du evtl. eine Depression – such dir Hilfe)

Verlassen und einsam zu sein fühlt sich gar nicht schön an.
Das Gegenteil von „Einsamkeit“ ist „Verbundenheit“. Sich als Teil von etwas sehen. Am einfachsten ist es sich als Teil einer Idee zu verstehen – einer Nation, einer Religion, einer philosophischen oder spirituellen Strömung. Oder man ist Teil eines sozialen Verbundes – einer Familie, eines Freundeskreises. Verliebt zu sein oder lieben ist auch eine tolle Weise sich verbunden zu fühlen.
Es wird sich auf gedanklicher, emotionaler oder spiritueller Ebene verbunden.

Durch körperliche Zärtlichkeiten kann auch eine Weise der Verbundenheit aufgebaut werden, wobei Sex wohl die größte Steigerung der körperlichen Verbundenheit ist.

Intimität scheint ein guter Gradmesser dafür zu sein, wie viel Vertrauen und Annäherung nötig war um die erreichte Verbundenheit zu ermöglichen.
Um so intimer sich eine Begegnung anfühlt, um so weiter musstest du dich öffnen um die Begegnung so zulassen gekommt zu haben.

Je weiter du dich öffnest, um so stärker kann die Verbundenheit sein, die du mit Menschen teilst.

Was fallen dir noch an Beweggründen ein Sex zu haben?
Was macht deiner Meinung nach die Faszination von Sex aus?

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