Bedürfnisse
Es ist nicht immer leicht, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse nach außen hin zu vertreten.
Selbst der erste Schritt auf dem Weg dorthin fällt mir noch schwer, auch wenn ich langsam besser werde: Bedürfnisse erkennen.
Zweiter Schritt: Bedürfnisse zulassen und annehmen.
Erst dann kann ich meine Bedürfnisse überhaupt vertreten.
Was aber, wenn du deinen Mut zusammen genommen hast, du die Bedürfnisse bzw. deine Wünsche formuliert hast und dann kommt ein „Nein“.
Dann kannst du natürlich den schwachen Weg nehmen, deine Bedürfnisse fallen lassen und dich damit abgeben, dass sie nicht erfüllt werden – ein anderer Weg ist der Weg der Eskalationsstufen.
Der Weg der Eskalationsstufen
Wenn du dir klar darüber bist, dass deine Wünsche wichtig und berechtigt sind, du einiges an Aufwand dafür in Kauf nehmen würdest und wirklich willst, dass die Wünsche umgesetzt werden, dann geh den Weg der Eskalationsstufen.
Die erste Bitte (erste Eskalationsstufe) ist sehr leicht und unbeschwert. Es wird gerade heraus gefragt, ob die Bitte umgesetzt werden kann.
Kommt ein „Ja“ -> alles super.
Kommt ein „Nein“, wird damit die nächste Eskalationsstufe gezündet.
Die nächste Anfrage passiert mit mehr Nachdruck. Du bringst mehr Fakten ein, ziehst weitere Leute hinzu, verwendest andere Kommunikationswege, machst das Thema größer.
Kommt ein „Ja“ -> alles super.
Kommt ein „Nein“, wird die nächste Eskalationsstufe gezündet – und immer so weiter, bis es notfalls am Ende zu einer großen Eskalation kommt, die es unmöglich macht, den Wunsch zu ignorieren.
Diese Methode ermöglicht es dir, deine Bedürfnisse und Wünsche nicht einfach fallen zu lassen wegen einem einfachen „Nein“, sondern für dich selbst zu sehen, wie wichtig dir der Wunsch ist und heraus zu finden, welche Gründe die andere Partei evtl. wirklich hat, um die Bitte abzulehnen.
Je höher die Eskalationsstufe, um so triftiger muss auch das „Nein“ der Gegenseite werden und um so vorsichtiger muss auch die Antwort werden, weil irgendwann auch für die andere Seite klar werden wird: ein schlechtes „Nein“ vereinfacht nur die nächste Eskalationsstufe, weil du dafür die Begründung als Kanonenfutter verwenden kannst.
Zusätzlich hat dieses Vorgehen den Vorteil, dass du sehr, sehr sanft beginnen kannst und dir nicht zu Beginn überlegen musst, wie groß du deine Bitte gestalten musst, dass sie genug Gehör findet. Fang sehr leicht an und gehe Stück für Stück so weit rauf auf der Eskalationsskala, bis es sich so anfühlt, als wäre eine höhere Stufe nicht mehr zu rechtfertigen. Solange du das ursprüngliche Bedürfnis immer im Blick hast und nicht irgendwann um jeden Preis gewinnen willst, wirst du merken, wann es reicht und du zufriedener bist, wenn deine Bitte nicht erfüllt wird. Dann siehst du vielleicht andere Konsequenzen, die du ziehen willst.
Beispiele
Ich habe zwei Beispiele aus dem Leben für Anwendungsfälle, in denen die Eskalationsstufen hilfreich gewesen wären und zukünftig sein könnten:
– In einem meiner letzten Projekte gab es Faktoren (die Zusammenarbeit hat an ein paar Stellen arg geklemmt), die dem Erfolg des Projektes im Wege standen. Die Faktoren habe ich gesehen und meine Arbeit hat darunter gelitten, aber ich habe keinen richtigen Weg gesehen, damit um zu gehen. Wie soll ich damit umgehen?!
Mit Hilfe der Eskalationsstufen ist die Frage einfach zu beantworten: Möglichst früh das erste Mal leicht darauf hinweisen. Möglicherweise ist das nicht allen bekannt und es reicht, wenn ein Blick darauf geworfen wird, um zu erkennen: „Da muss was anders.“. Das kann ich sogar schon machen, bevor ich mir sicher bin, ob es sich lohnt, daraus ein großes Thema zu machen – weil ich es ganz sanft thematisieren kann.
Wenn das noch nicht hilft: lauter werden, Konsequenzen aufzeigen, Protokoll darüber führen, was die Auswirkungen sind, Alternativen vorschlagen…
Stück für Stück die Eskalationsstufen hoch gehen, bis irgendwann ganz klar die hemmenden Faktoren bekräftigt werden („Das ist jetzt so, finde dich damit ab!“) oder die Faktoren beseitigt werden („Oh, krass, war mir nicht klar, dass das SO schlimm für dich ist.“). Auf die eine oder andere Weise ist das Thema dann zumindest klar aus der Welt. Entweder ist dann das Problem geklärt oder es ist klar, dass es nicht geklärt werden wird und evtl. andere Konsequenzen nötig sind.
– Mein Bruder hat mir von Arbeitsbedingungen in einem seiner Büros erzählt, die so nicht tragbar sind (Temperaturen um die 14 Grad, weil schlechte Heizung). Seine erste Anfrage hat keine Ergebnisse gebracht. Das wäre der Zünder für die zweite Eskalationsstufe. Lauter fragen, mehr Leute mit einbeziehen, die verstehen werden, dass die Bitte (ordentliche Heizung) sehr gerechtfertigt ist.
Entweder ist es nur nötig, die Berechtigung der Bitte klar zu stellen oder aber die Konsequenzen der Nichtbeachtung müssen auf eine angemessene Art und Weise so weit verschärft werden, dass sich das Ignorieren der Bitte nicht mehr lohnt. Wenn plötzlich das halbe Büro beim Chef auf der Matte steht und laut fordert, dass es nicht angehen kann, dass er in der Jacke im Büro sitzt, sollte es auch bei ihm durchsickern, dass da was gemacht werden muss. Wenn es selbst dann nicht reicht, wäre es vielleicht das beste sich einen anderen Chef zu suchen, der die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter_innen würdevoller behandelt – damit ist das Thema zumindest geklärt.
tl;dr: Wenn dir etwas wirklich wichtig ist, gib dich nicht mit dem ersten „Nein“ ab, sondern überlege dir weitere Eskalationsstufen, um dein Anliegen Stufe für Stufe relevanter zu machen.
Fallen dir Beispiele ein, wo Eskalationsstufen hilfreich gewesen wären oder tatsächlich zu Ergebnissen geführt haben?
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