Die Regeln einer „monogame“ bzw. „geschlossenen“ Beziehung schreiben vor, dass außerhalb der Beziehung keine sexuellen Kontakte erlaubt sind. Wie das genau geregelt ist, schwankt von Paar zu Paar.
Bei manchen ist ein zu langer Blick oder eine Berührung an den Händen schon Grundlage für ein Krisengespräch – bei anderen sind freundschaftliche Körperlichkeiten (vgl. lange Umarmungen, Massagen, evtl. Küsse) und körperliche Freizügigkeit (vgl. Saunagang mit Freunden, FKK), vielleicht sogar leichtes Flirten noch in Ordnung.
Es gibt viele Gründe, die für sexuelle Exklusivität sprechen.
In den Extremfällen kann sexuelle Exklusivität Schutzraum oder Angstraum sein.
Schutzraum
Es dürfte schwer sein Menschen zu finden, die in ihrem Leben noch keinen sexuellen Verletzungen und Übergriffen ausgesetzt waren.
Das muss nicht so groß und deutlich sein wie eine sexuelle Vergewaltigung. Auch kleine Vorfälle wie ein unbedachter Kommentar zum eigenen Körper, das „Erwischt werden“ beim Masturbieren oder ein ungünstiger Vergleich mit den Körperlichkeiten anderer.
Um Wunden zu heilen, Selbstvertrauen auf zu bauen und Freude an der eigenen Sexualität zu entwickeln kann es hilfreich sein die Beziehung als sexuellen Schutzraum zu gestalten.
Hier darf sich gezeigt werden und gemeinsam Erfahrungen gemacht werden.
Die sexuelle Exklusivität hilft dabei die Notwendigkeit des Vergleichs und die Angst vor Konkurrenz außen vor zu lassen.
Es geht nicht um Performance und Leistung, sondern um Heilung und zur Ruhe kommen. Schritt für Schritt tiefer zu gehen, ohne selbst mit anderen Menschen Erfahrungen zu machen, oder Angst haben zu müssen, dass der_die Partner_in mit anderen „mehr Spaß“ hat.
Angstraum
Sexuelle Exklusivität kann aber auch aus Angst motiviert sein.
Angst davor, dass der_die Partnerin mit jemand anderen mehr „Spaß“ haben könnte und man selbst nicht mithalten kann – weniger erfinderisch, hingebungsvoll, wild und versaut ist. Oder einfach nur schlechter bestückt oder in schlechterer Form.
Und wenn der Sex gut ist – wer weiß, ob am Schluss nicht auch noch Gefühle im Spiel sind und zack, wird man ersetzt.
Deshalb lieber erst gar nicht so weit kommen lassen:
Die Sexualität des_der Partner_in gehört mir – die anderen Leute sollen sich die Sexualität von jemand anderen zu eigen machen!
Oder andersherum:
Aus Angst vor den eigenen Gefühlen und Trieben wird selbstständig die Sexualität auf den_die Partner_in beschränkt, damit keine Bedürfnisse außerhalb der Beziehung entstehen.
Neben diesen Extremfällen gibt es sicher noch ein breites Spektrum von Paaren, bei denen nicht weiter darüber gesprochen werden muss, dass beide sexuell exklusiv leben – einfach, weil beide sowieso keine körperlich-sexuelles Interesse an anderen Menschen haben.
sexuelle Exklusivität als einzige Beziehungsgrundlage
Geschlossene Beziehungen zerbrechen nicht selten daran, dass jemand „fremd gegangen“ ist – also die implizit oder explizit getroffene Abmachung verletzt hat, dass die Sexualität auf die Beziehung beschränkt ist.
Im „Optimalfall“ liegt das daran, dass der zwischenmenschliche Vertrag, geplatzt ist und die Neuverhandlungen gescheitert sind.
Das Wort „Treue“ wird oft mit „sexueller Exklusivität“ gleich gesetzt. Eigentlich bedeutet es aber eher sowas wie „sich an Vereinbarungen halten“ – also Vertrauen rechtfertigen.
Wenn davon ausgegangen wurde, dass es zwischen den Partner_innen klar ist, dass keine Sexualität mit Menschen außerhalb der Beziehung stattfindet, es aber doch passiert, ist das Vertrauen in die anderen Annahmen aus dem zwischenmenschliche Vertrag in Frage gestellt.
In gesunden Beziehungen, sollte so ein „Vertragsbruch“ den „Vertrag“ nicht komplett nichtig machen, sondern zu intensiven Gesprächen anregen.
Kränkelnde Beziehungen werden daran vermutlich eine Sollbruchstelle finden – es hat auch an anderen Stellen schon Schwierigkeiten gegeben und jetzt ist ein Grund gefunden, um die Beziehung auf zu lösen.
Besonders kritisch wird das aber für Beziehungen, die komplett auf sexueller Exklusivität gründen. Und ich bin überzeugt, dass es zahlreiche Beziehungen gibt, bei denen es so ist.
Gesellschaftlich ist Sex und „in einer Beziehung sein“ noch so klar verbunden, dass einerseits aus dem Wunsch nach geregelter Sexualität (ein_e feste_r Sexualpartner_in statt hin und wieder eine Gelegenheit für Sex), aber auch aus dem Wunsch nach klaren Verhältnissen (eine Affäre, die lange dauert und sich nicht nur auf Sex beschränkt und in der plötzlich die Frage aufkommt: „Was ist das hier zwischen uns eigentlich?“) etwas entstehen kann, das eigentlich nur ein Sex-Abkommen war, aber plötzlich als Beziehung geführt wird.
Geht dann die sexuelle Exklusivität verloren platz plötzlich die Blase und die Beziehung ist wieder als Sex-Abkommen zu erkennen.
„…und dafür habe ich die ganzen Entbehrungen in Kauf genommen?!“